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Rheinland-Pfalz

B 10-Trassenbereisung: Erstaunliche Einblicke in die einmalige Tektonik des Pfälzerwaldes

11. Juli 2021 | Mobilität, Klimawandel, Naturschutz, Lebensräume, Wälder, Bundestagswahl

Wie kompatibel ist eine „Pfälzerwald-Autobahn“ mit den Vorgaben der UNESCO?

Die Gruppe steht im Hang am Rande des Waldes Hier steht die Gruppe in etwa auf der geplanten Trasse der B10. Die Straße würde allerdings einige Meter tiefer verlaufen.  (Sabine Yacoub, BUND RLP)

Deutlich spürbar stand die am Wochenende erfolgte Bereisung der B 10-Trasse im Zeichen des jüngst ergangenen Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Staatsziel Umweltschutz (Art. 20a GG). Bis 2030 muss der CO2-Austoß um die Hälfte reduziert werden. Für geplante Fernstraßenprojekte muss es umweltverträglichere Alternativen geben. Darüber hinaus waren die sechs Stunden Fahrt durchs Biosphärenreservat unersetzliche Lehrstunden zum Thema Verkehrspolitik in Zeiten des Artensterbens und des Klimawandels.

Rechtzeitig eingeladen zu der als Faktencheck konzipierten Fahrt hatten der BUND, Alsace Nature und die BI Queichtal die Mitglieder des Bezirkstages Pfalz, einer Einrichtung, der u. a. die Entwicklung des deutschen Teils des grenzüberschreitenden Biosphärenreservats anvertraut ist. Es sollte an Hand von Fakten die Verträglichkeit einer autobahngleichen Verkehrsachse mit den von der UNESCO festgelegten, weltweit gültigen Kriterien für Biosphärenreservate geprüft werden. Jede*r sollte die Gelegenheit haben, sich ein Bild zu machen. Begleitet wurde die Busfahrt von einer Reihe von Experten, darunter der Diplomgeograph Wulf Hahn vom Büro RegioConsult, Marburg, und der Biologen Dr. Holger Schindler, Vorstandmitglied im BUND Rheinland-Pfalz.

Merkwürdig, wenn nicht gar als Affront, musste sich für unermüdlich tätige ehrenamtliche Umweltschützer*innen anfühlen, dass außer der Grünen-Fraktion sonst alle anderen Fraktionen die freundliche Einladung ausgeschlagen, z. T. noch nicht einmal beantwortet haben. Dabei steht hinter der Aktion der Umweltschützer*innen die ganz grundsätzliche Frage, ob der prestigeträchtige UNESCO-Status für den Pfälzerwald nebst wunderbarer deutsch-französischer Zusammenarbeit künftig erhalten bleiben kann, wenn die Politik an einem durchgängig vierstreifigen Ausbau der B 10 festhalten sollte.

Grundsätzliches kam zur Sprache beim Anblick der bereits ausgebauten Strecke bei Hinterweidenthal. Gemäß Wulf Hahn soll es mit dem durchgängigen Ausbau der B 10 zu einer „großräumigen Bündelung“ des internationalen Verkehrs auf die B 10 kommen, verbunden mit einer Verdreifachung des LKW-Aufkommens von derzeit ca. 3.500 LKW täglich. Alleine bei Hinterweidenthal sei es zu einer Inanspruchnahme von 40 Hektar Naturlandschaft, darunter mehrere gewachsene Felsen, gekommen. Beim weiteren Ausbau sei hierbei mindestens mit dem Faktor fünf zu rechnen. Anwesende sprachen von „Vergewaltigung einer Landschaft mit unseren Steuergeldern“.

Welche Landschaftsverbräuche, aber auch CO2-Ausstöße durch den Ausbau der B 10 zu erwarten sind, zeigen z. B. die Angaben des LBM zu den geplanten Arbeiten an der „Felsnase“ bei Hauenstein. Der entstehende „Massenüberschuss“ betrage 115.000 Kubikmeter, was einem Würfel von 48,63 Metern Kantenlänge entspricht. Dessen Abtransport mit 10.222 LKW-Fahrten an die A 62 würde 1.308,416 Tonnen CO2 erzeugen.

Bei der Felsnase verläuft messerscharf zuerst die Grenze zur Pflegezone des Biosphärenreservats und wenige hundert Meter weiter nördlich zur wichtigsten Kernzone. Eine Pufferung würde durch einen Neubau der Straße verhindert. Es ist den Anwesenden nicht nachvollziehbar, warum an dieser natursensibelsten und zugleich verkehrsärmsten Stelle überhaupt ein Straßenneubau vorgenommen werden muss. Für den B 10-Ausbau insgesamt würden 250 bis 300 Hektar für Straßenbau und Baustelleneinrichtung in Anspruch genommen werde, ohne dass dafür ein Ausgleich möglich sei.

Auf langen Strecken war von den Reisenden immer wieder die Frage zu hören: „Wo sollen denn da die vier Spuren eigentlich hin?“ Mehr Spielraum als zusammen die aktuelle B 10, ein Schienenstrang und ein Bachlauf sind nicht zu entdecken für weiteren Beton und Asphalt. Besonders problematisch, ja grotesk werde es an anderer Stelle werden, im Raum Wilgartswiesen nämlich. Erforderlich werde dort ein extrem hoher Aufwand für Brückenbauten, hinter denen das Dorf verschwinden werde. Es werde einen komplexen Baustellenverkehr geben, Lärm werde zunehmen, und Lärmschutz sei nicht zu erwarten. Gut sei das nicht für eine Gegend mit interessantem Tourismus und Premiumwanderwegen.

Den Abschluss der Fahrt bildete der Besuch der Baustelle für den Tunnel bei Bad Bergzabern im Zuge der B 427. Diese ist mit dem ihr zugedachten Fernverkehr ein weiterer erheblicher Störfaktor für die Entwicklung des Biosphärenreservats Pfälzerwald. Hier besteht, eigentlich unfassbar, bereits eine Baustelle trotz immer noch ausstehender Gutachten zu den Risiken der dortigen Geologie sowie zu den dortigen einmaligen Fledermausvorkommen. Für Politik und Planer scheint auch keine Rolle zu spielen, dass einst das Votum von McKinsey lautete, diese Region müsse unbedingt vor solchen Eingriffen bewahrt werden im Interesse des nicht unerheblichen Wirtschaftsfaktors Fremdenverkehr.

Hier können Sie Fotos von der Bereisung herunterladen.

Für Rückfragen:

Armin Osterheld, BUND Südpfalz: 06398 498

Walter Herzog, BI Queichtal:  0151 42 55 35 83

Sabine Yacoub, 0174-9971892

Weitere Informationen unter www.bund-rlp.de/b10

 

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