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Rheinland-Pfalz

Durchgängige Autobahntrasse (B 10) durchs deutsch-französische Biosphärenreservat:Umweltschützer schreiben an pfälzischen Bezirkstag

04. März 2021 | Klimawandel, Naturschutz, Mobilität

Argumente für Unversehrtheit eines einmaligen Waldgebietes

Pfälzerwald  (Walter Herzog)

MAINZ. Versprochen wird, dass ein Mammutstraßenprojekt Ersatz für die verschwundene Schuhindustrie schaffen werde. Bekommen werden die Pfälzer*innen einen neuen Korridor für Tausende von Europatrucks und ein kaputtes Biosphärenreservat, keine blühenden, nur zerstörte Landschaften. Wohlstand wird vorbeirauschen. All das soll durchgesetzt werden trotz der folgenden Kulisse:

Seit Dezember 2019 gibt es das Klimaschutzgesetz des Bundes, das eine CO2-Absenkung im Verkehr um 42 % bis 2030 vorschreibt, es steht eine turnusmäßige Überprüfung der 1.360 deutschen Fernstraßenprojekte im Bedarfsplan an; darunter gilt die „Pfälzerwald-Autobahn“ als eines der bedenklichsten. Und außerdem ist derzeit gerade mal ein Drittel dieser Projekte finanziert. „Nur mit fragwürdigen Tricks kann in diesen Zeiten so etwas überhaupt noch auf der politischen Agenda gehalten werden. Wie haarsträubend ist es eigentlich, ein Berge ausradierendes und ganze Täler zubetonierendes Autobahnprojekt durch ein unter UNESCO-Schutz stehendes einzigartiges, kleinräumig gegliedertes Waldgebirge treiben zu wollen?“ Mit solchen Gedanken beschäftigen sich schon lange Umweltschützer*innen beiderseits der deutsch-französischen Grenze – der BUND Rheinland-Pfalz, die französische Alsace Nature und die BI Queichtal. Ihre Sorge gilt dem deutsch-französische Biosphärenreservat Pfälzerwald – Vosges du Nord, dem als größtem zusammenhängendem Waldgebiet Westeuropas ein durchgängig vierstreifiger Ausbau der B 10 droht.

Die bereits angerichteten Schäden vor Augen sowie aufgrund eines jederzeit rechtlich noch möglichen Ausbauverzichts haben sich deutsche und französische Naturschützer*innen in einem Brandbrief an den Trägerverband für den deutschen Teil des von den Ausbauplänen betroffenen Biospärenreservats gewandt. Dieser Adressat ist der Bezirksverband Pfalz mit seinen Bezirkstagsmitgliedern.

Der Bezirksverband Pfalz ist eine traditionsreiche, aus der französischen und bayerischen Vergangenheit der Pfalz stammende, in Deutschland einzigartige Verwaltungsstruktur. Sie dürfte nicht ohne Einfluss sein bei der Durchsetzung eines Moratoriums gegen einen durchgängig das Biosphärenreservat durchschneidenden Transportkorridor.  Die dem Straßenprojekt zugedachte Funktion ist einzig und alleine die Aufnahme des europäischen Transitverkehrs für die zusätzlich täglichen 10.000 schweren Containertrucks, die zwischen Rotterdam und Süddeutschland unterwegs sind.

Für diesen Verkehr jedoch gäbe es naheliegende Alternativen. Außerdem liegt ein Kompromissvorschlag vor, der als Ergebnis von zwei Mediationsverfahren um dieses Straßenprojekt einst auf dem Tisch lag, aber dann doch nicht zum Zug kam. Leider mussten damals die Vertreter*innen von Umwelt- und Naturschutz ohnmächtig erleben, wie sie mit ihren Argumenten von der Politik über den Tisch gezogen wurden.

Im Vertrauen auf die Macht des Arguments haben die drei Organisationen in ihrem Brief (vgl. Anhang) in großer Ausführlichkeit ihre Gründe für eine Neubewertung des Straßenprojektes im Süden von Rheinland-Pfalz zusammengetragen. Im Einzelnen möchte das Schreiben Bezirkstag und Bezirksverband auf folgende Gesichtspunkte aufmerksam machen:

Für den überwiegenden Streckenabschnitt durch die sensibelsten Teile des Pfälzerwaldes gibt es noch keine Planfeststellungsbeschlüsse.  Selbst bei deren Vorhandensein ermöglichen die §§ 76/77 Verwaltungsverfahrensgesetz deren Änderung oder Aufhebung.

Im noch gültigen Entwicklungskonzept aus dem Jahr 2003, das sich der damalige Trägerverband für den deutschen Teil des Biosphärenrats selbst gegeben hat, steht klar, dass der vierspurige Ausbau der B 10 „nicht im Einklang steht“ mit dem „Nachhaltigkeitsziel der UNESCO für Biosphärenreservate“. Der Bezirksverband muss sich ernsthaft fragen, wie er sein bisheriges Schweigen zum B 10-Ausbau im Herzen des Pfälzerwaldes mit seinem eigenen Entwicklungskonzept in Einklang bringen will.

Im ersten Mediationsverfahren vermerkte der von der Landesregierung zu den ökonomischen Vorteilen des B 10-Ausbaus bestellte Experte Dr. Rommerskirchen von der ProgTrans AG, eine positive Wirtschaftsentwicklung lasse sich nicht feststellen. Er sagte: „Die B 10 dient . . . als Sammel- und Verteilerschiene für den im Untersuchungsgebiet erzeugten Quell- und Zielverkehr. Überregionale Verflechtungen sind gering.“ Das bestätigen die Verkehrszahlen sowie die Beobachtung, dass nicht wenige Gewerbetreibende im persönlichen Gespräch die bisherige B 10 für ihre Belange als ausreichend einschätzen.

Eine ausführliche historische Darstellung zum Autobahnbau in der Pfalz von Dr. Karl-Heinz Rothenberger in den „Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz“ listet auf, wie zumindest siebenmal ein Autobahnprojekt durch den Pfälzerwald scheiterte an den viel zu hohen Kosten, die sich aus dem extrem starken, tektonisch bedingten, Raumwiderstand des Buntsandsteingebirges ergeben, abgesehen von den Schäden an Natur und Landschaft.

Von besonderer Bedeutung für die Verantwortlichen beim Bezirksverband müsste auch sein, was zuletzt offiziell vom für die 16 deutschen Biosphärenreservate zuständigen MAB-Nationalkomitee zum Pfälzerwald verlautete. In der letzten in zehnjährigem Rhythmus erstellten Periodischen Überprüfung des deutschen Teils aus dem Jahr 2013 ist deutlich die Rede von der „Sorge“ um „eine weitere Fragmentierung des Pfälzerwaldes“. „Damit würde die Repräsentativität des Biosphärenreservats als eines der wesentlichen Anerkennungskriterien in Frage gestellt“. Das betreffe auch „zum Beispiel den Ausbau der Bundesstraße 10, der bereits im Gange ist . . . aber auch den Ausbau der Windkraft“. Letzteres wurde umgehend beachtet, die mahnenden Worte zum Straßenbau werden konstant ignoriert.

In diesem Zusammenhang unterstreicht der Brief, dass mit einem Netz von vier Autobahnen und fünf Bundestraßen, die den Pfälzerwald erschließen, durchqueren und tangieren, eigentlich genug Straßeninfrastruktur vorhanden ist. Daher erscheint es den Umweltschützer*innen eher abwegig, wenn Ausbaubefürworter*innen behaupten, Natur, Umwelt und Mensch könnten von einer vierstreifigen B 10 nur profitieren. Dagegen sprechen u. a. die weit sich ausbreitenden Feinstäube, trotz Grünbrücken die genetischen Folgen von wilddichten Zäunen und die eher schwereren und häufigeren Unfälle, weil vier Autobahnstreifen zu höherer Geschwindigkeit einladen.

Das Schreiben ist Teil einer auf Dauer angelegten Zusammenarbeit zum Schutz des Pfälzerwaldes.

Für Rückfragen:Holger Schindler, 06306 701505

 


Mehr zum B10-Ausbau hier...

 

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