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Rheinland-Pfalz

Fragmentierung des Biosphärenreservats Pfälzerwald: Umweltverbände schreiben an Malu Dreyer

20. Januar 2023 | Mobilität, Wälder, Naturschutz

Alte Trasse und Neubau bei Hauenstein im Vergleich Alte Trasse und Neubau bei Hauenstein im Vergleich  (Walter Herzog)

Die großen Naturschutz- und Umweltverbände in Rheinland-Pfalz – NABU, BUND, GNOR und Naturfreunde – dazu die mitgliederstarke BI Queichtal und der große elsässische Umweltverband Alsace Nature, wenden sich in einem gemeinsamen Schreiben an Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Sie bitten die Ministerpräsidentin um Bearbeitung eines auffälligen, aber bisher nicht aufgelösten Widerspruchs in der Umwelt- und Verkehrspolitik des Landes. Es geht um den Umgang des Landes mit den von der UNESCO vorgegebenen strengen und anspruchsvollen Auflagen, deren Einhaltung für den Pfälzerwald den Status eines Biosphärenreservats nach internationalem Recht sichert. Es müsse vermieden werden, dass ein nicht aufgelöster Widerspruch in der Bereitschaft, den Willen der UNO-Unterorganisation ernst zu nehmen, „eskaliert, ähnlich wie bei dem unglückseligen Streit um die sogenannte Waldschlösschen-Brücke mit der Stadt Dresden“, heißt es im Schreiben der Umweltverbände. Dieser Streit endete mit der Aberkennung des vorläufigen „Welterbe“-Status. Offenbar sind einige Verantwortliche in der Politik des Landes Rheinland-Pfalz bereit, die prestigeträchtige Anerkennung des Pfälzerwaldes als UNESCO-Biosphärenreservat zu verspielen.

Vor diesem Hintergrund muss gesehen werden, dass das MAB-Nationalkomitee sich im Abstand etwa eines Jahrzehnts regelmäßig gegen „weitere Fragmentierungen des Pfälzerwaldes“ ausspricht. Daher unterstreichen die Verbände hartnäckig: „Konstant weist die UNESCO ... auf die Risiken einer Aberkennung des Biosphärenstatus durch den Ausbau der B 10 hin, jeweils noch vor der Nennung des Ausbaus der Windenergie“.

Folglich ist Kern des von den Verbänden herausgestellten Widerspruchs im Regierungshandeln der Umgang mit der von der UNESCO kritisch gesehenen fortschreitenden „Fragmentierung des Pfälzerwaldes“. Sie schreiben daher:

„Es zeigt sich nun aktuell, dass das rheinland-pfälzische Umweltministerium deutlich darum bemüht ist, den Vorgaben der UNESCO bzgl. Windräder gerecht zu werden. Beim für das Fernstraßenprojekt Ausbau der B 10 zuständigen Verkehrsministerium ist eine solche Rücksichtnahme auf die Belange eines Biosphärenreservats bislang nicht zu erkennen.  . . . .  Zügig soll ein Korridor für den europäischen LKW-Transitverkehr zwischen Atlantik und Osteuropa geschaffen werden, der im vom Europaparlament als Richtlinie verabschiedeten TEN-Achsen-System überhaupt nicht vorgesehen ist“.

Das Verbändeschreiben folgert daher, dass in einer solchen Situation von der die Gesamtverantwortung tragenden Ministerpräsidentin eine Moderationsaufgabe zwischen zwei Ministerien zu leisten ist, zwischen den Ministerien von Daniela Schmitt und Katrin Eder.

Aus Fairness- und Transparenzgründen erhalten beide Ministerinnen mit gleicher Post eine Kopie des Schreibens an Malu Dreyer.

Wie dringlich ein Nachdenken über eine weitere Fragmentierung des Biosphärenreservats sei, zeige sich nach Ansicht der Umweltschützer*innen daran, dass bei der Aufnahme des vierstreifigen B 10-Ausbaus in den derzeitigen Fernstraßenbedarfsplan wesentliche Umweltbelange vernachlässigt worden seien. Es habe weder eine nach EU-Recht vorgeschriebene Strategische Umweltprüfung (SUP) noch eine obligatorische Öffentlichkeitsbeteiligung mit Alternativprüfung gegeben. Geschweige denn, dass das Klimaschutzgesetz von 2019 oder das Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts von 2021 eine Rolle spielen beim Festhalten an dem Ziel, eine „Pfälzerwald-Autobahn“ in voller Länge durchzuziehen.

Die Umweltverbände konfrontieren die rheinland-pfälzische Verkehrspolitik zudem mit der Frage, wie seriös das im Bundesverkehrswegeplan 2030 angesetzte Nutzen-Kosten-Verhältnis für das autobahngleiche Fernstraßenprojekt einzuschätzen sei. Seit 1934 seien all die zahlreichen Versuche einer Querung des Pfälzerwaldes im Autobahnmodus regelmäßig gescheitert, nämlich – neben den Naturschutzproblemen – an den hohen Kosten aufgrund der Topographie des Sandsteingebirges. Diese Feststellung berücksichtigt noch nicht, welche Kostenerhöhungen bekanntlich alleine seit 2015 auf Straßen- und Brückenbau zugekommen sind.

Die Verbände sehen nach wie vor die Möglichkeit eines Aufeinander-Zugehens im Sinne eines Kompromissvorschlags, der 2013 am Ende der 2. Mediationsveranstaltung auf dem Tisch lag. Entsprechend stark unterschiedlichem Verkehrsaufkommen auf Teilabschnitten wäre durchgängige Vierstreifigkeit unnötig und außerdem ein unnötiger Kostenfaktor. Grünbrücken seien keine ausreichende Lösung, da sie die drohende genetische Verarmung nicht verhindern. Verluste im Artenschutz aber sind unvereinbar mit den Ansprüchen an die Entwicklung eines Biosphärenreservats.

Des Weiteren pochen die Umweltschützer*innen auf eine verstärkt in den Blick zu nehmende Verkehrsträger übergreifende Verkehrsplanung im Queichtal. Immerhin liege parallel zur B 10 ein traditionsreicher Schienenstrang, der einst zweigleisig nicht nur Südwestpfalz und Südpfalz verband, sondern auch zwischen Benelux und Süddeutschland von internationaler Bedeutung war.

Der volle Wortlaut des umfangreichen Schreibens an die Ministerpräsidentin ist hier nachzulesen.

Für Nachfragen:

BUND Rheinland-Pfalz: Michael Carl, 02620 8416, michael.carl(at)bund-rlp.de

BI Queichtal: Walter Herzog, 0151 42 55 35 83, biqb10(at)gmx.de 

NABU Rheinland-Pfalz: Cosima Lindemann, Cosima.Lindemann(at)NABU-RLP.de

Alsace Nature: maurice.wintz(at)alsacenature.org

 

 

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