BUND Landesverband
Rheinland-Pfalz

BUND zu Koalitionsverhandlungen: Rheinland-Pfalz braucht starke Ministerien für Klimaschutz sowie für Umwelt & Landwirtschaft

22. März 2021 | Energiewende, Flüsse & Gewässer, Klimawandel, Landwirtschaft, Nachhaltigkeit, Naturschutz

Sozial-ökologischen Wandel voranbringen

Mainz. Die Überwindung der Klima- und der Biodiversitätskrise und ein sozial-ökologischer Wandel hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft müssen nach Auffassung des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Landesverband Rheinland-Pfalz absolute Priorität für die zukünftige Landesregierung haben. „Sowohl die Klimaerhitzung als auch das Artensterben sind für die Menschheit existentielle Krisen“, meint BUND-Landesvorsitzende Sabine Yacoub. „Deshalb erwarten wir, dass sie im Zentrum des Regierungshandelns stehen werden. Alle Aktivitäten müssen auf ihre Auswirkungen auf Klima und Biodiversität geprüft werden. Maßnahmen müssen aber auch sozial gerecht sein, damit sie gesellschaftlich tragfähig sind.“

Aus Sicht des Umweltverbands braucht es ein starkes Klimaschutzministerium, das die Mobilitäts-, die Energie- und die Wärmewende voranbringt, sowie ein Umweltministerium, in dem die Landwirtschaft wieder integriert ist. Für die Umsetzung der Aufgaben in der Fläche ist eine Festlegung von Klimaschutz und Nahverkehr als kommunale Pflichtaufgaben mit einer entsprechenden Finanzausstattung für die Kommunen erforderlich. Außerdem sollten regionale Naturschutzstationen eingerichtet werden, in denen Aufgaben wie die Naturschutzberatung und die Betreuung des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000 zusammengeführt würden. Neben bereits vorhandenen Personalkapazitäten, etwa aus der Biotopbetreuung, müsse auch ausreichend neues Personal eingestellt werden.

„Uns ist klar, dass die von uns geforderten Maßnahmen mit erheblichen Kosten verbunden sind. Doch das sollte uns unsere Zukunft wert sein“, meint Yacoub. Im Gegenzug solle man alle Förderungen und Subventionen des Landes prüfen. „Wir müssen erreichen, dass nur noch solche Aktivitäten unterstützt werden, die nachhaltig sind, die also der Gesellschaft, dem Gemeinwohl dienen ohne einen ökologischen oder sozialen Schaden anzurichten.“ Damit könne man viele geforderten Maßnahmen gegenfinanzieren.

Klimaschutz 

„Alle drei Parteien, die aktuell Koalitionsverhandlungen führen, haben sich in ihren Wahlprogrammen zu den Pariser Klimaschutzzielen bekannt“, erläutert der stellvertretende Landesvorsitzende Michael Carl. „Diesem Bekenntnis müssen jetzt Taten folgen!“ Konkret fordert er eine deutliche Beschleunigung der Energiewende. „Der Ausbau der Windenergie muss endlich wieder in Gang kommen! Die Erzeugung von Solarenergie muss sich bis 2030 mehr als verdreifachen! Um das zu erreichen muss eine Solarpflicht für Neubauten und Dachsanierungen kommen.“ Um die Versorgung mit hundert Prozent Erneuerbaren Energien zu erreichen, müsse außerdem der Energiebedarf deutlich gesenkt werden. Hier spiele die Gebäudesanierung eine wichtige Rolle, mit der große Mengen Heizenergie eingespart werden könnten.

Auch für die Mobilitätswende hat der BUND klare Vorschläge. So fordert er ein Moratorium für den Neu- und Ausbau von Straßen. „Der autobahngleiche Ausbau der B 10, der Neubau der A 1, der 6-spurige Ausbau der A 643 durch den Mainzer Sand, die Mittelrheinbrücke – all diese Projekte sind nicht mehr zeitgemäß. Sie sind weder mit dem Klima- und Naturschutz vereinbar, noch können wir sie uns leisten“, meint Carl. „Stattdessen müssen wir in die Zukunft investieren: in eine deutliche Verbesserung der Fuß- und Fahrradinfrastruktur und des ÖPNV.“ Er verweist auf den Forderungskatalog „Neue Züge braucht das Land!“, in dem der BUND darstellt, welche Zugstrecken in Rheinland-Pfalz reaktiviert oder ausgebaut werden müssen.

Schutz der biologischen Vielfalt

Ein wichtiger Faktor im Naturschutz sei die Personalausstattung der Behörden. „In der personellen und finanziellen Besetzung der Naturschutzverwaltungen hat sich seit den 1970-er Jahren kaum etwas verändert. Doch die Aufgaben sind seither viel zahlreicher geworden“, meint Yacoub. „Es ist deshalb kein Wunder, dass die Verwaltungen mit ihrer Arbeit nicht hinterherkommen und wichtige Aufgaben liegenbleiben.“ Die vom BUND geforderten Naturschutzstationen könnten dazu beitragen, dass der behördliche Naturschutz wieder handlungsfähig wird und sich weiterentwickelt. Die Stationen könnten die Betreuung von Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität, die Umsetzung von Natura 2000, Biotopbetreuung und Naturschutzberatung vernetzen. „Wichtig ist, dass es sowohl in den neuen Stationen wie auch in der bestehenden Verwaltung mehr Personal gibt“, betont Yacoub. Sie rechne damit, dass für die Stationen insgesamt etwa 40 Stellen im Land eingerichtet werden müssten. Hinzu kämen mindestens sechs Stellen für die Struktur- und Genehmigungsdirektionen sowie weitere Stellen im Landesamt für Umwelt.

Landwirtschaft

Um die Landwirtschaft nachhaltig zu gestalten, seien ebenfalls erhebliche Anstrengungen und Mittel erforderlich. „Natürlich ist die Landwirtschaft nicht alleine für das Artensterben verantwortlich“, meint Yacoub. „Aber bei etwa 36 Prozent landwirtschaftlich genutzter Fläche im Land, ist klar, dass sie eine wichtige Rolle spielt.“ Wichtig sei, dass Landwirt*innen so gestärkt würden, dass sie ein auskömmliches Einkommen haben und klimaschonend, biodiversitätserhaltend und tiergerecht wirtschaften könnten. „Für Rheinland-Pfalz bedeutet das, dass wir jährlich mindestens 148 Mio. Euro mehr für Agrarumweltmaßnahmen und eine entsprechende Beratung der Bäuerinnen und Bauern brauchen“, beschreibt Yacoub das Ergebnis der Studie „Artenreiche Kulturlandschaften in Rheinland-Pfalz 2030“, die vergangene Woche erschienen ist. „Wir haben die Studie den Parteien zur Verfügung gestellt und setzen darauf, dass sie sie bei ihren Verhandlungen zu Rate ziehen“, meint Yacoub.   

Landesplanung: Flächenverbrauch und Natura 2000

Ein Ziel, das sowohl Landwirt*innen helfe, als auch die Natur schütze, sei der Stopp des Flächenverbrauchs. Mittelfristig müsse das Ziel eine Netto-Neuversiegelung von Null sein. In einem ersten Schritt müsse das bereits 2013 in der rheinland-pfälzischen Nachhaltigkeitsstrategie festgelegte Ziel erreicht werden, die Neuinanspruchnahme von Flächen auf unter ein Hektar pro Tag zu senken. Hierfür müsse das Ziel verbindlich im Landesentwicklungsprogramm (LEP) und in den Regionalplänen festgelegt werden. Außerdem brauche es in den Regionalplänen verbindliche Schwellenwerte für Gewerbegebiete.

Ein weiterer Ergänzungsbedarf im LEP bestehe bei der Biotopvernetzung und Natura 2000: Damit diese Flächen besser vor Eingriffen geschützt seien, müssten sie in der Landesplanung verbindlich als Vorranggebiete für den Naturschutz ausgewiesen werden.

Gewässerschutz

Da sich die Auswirkungen des Klimawandels insbesondere durch dürre Sommer und eine verminderte Grundwasserneubildung bemerkbar machten, fordert der BUND ein besonderes Augenmerk auf den Schutz von Oberflächengewässern und Grundwasser zu richten. Die Wasserrahmenrichtlinie müsse konsequent umgesetzt, Flüsse und Bäche renaturiert werden. Im Bereich des Grundwassers spiele die Belastung mit Nitrat eine wichtige Rolle, aber auch andere Chemikalien. So seien in der Nähe von Militärflughäfen oft weite Bereiche des Bodens mit PFC (per- und polyfluorierte Chemikalien) belastet, einer Gruppe giftiger Chemikalien, die – ins Grundwasser eingetragen – das Trinkwasser gefährdeten. Der BUND fordert die neue Landesregierung auf, ein umfassendes Monitoring umzusetzen und wirksame Sanierungskonzepte auszuarbeiten.  

Gute Lebensbedingungen – in Rheinland-Pfalz und darüber hinaus

Gerade angesichts der Corona-Krise müssten die Ausgaben des Landes gezielt eingesetzt werden – sowohl reguläre Finanzhilfen, wie auch Corona-bedingte Programme. Es dürften aus Sicht des Umwelt- und Naturschutzverbands nur solche Förderungen weitergeführt werden, die im Sinne der Nachhaltigkeit wirkten. Es sollten außerdem gezielt Projekte und wirtschaftliche Aktivitäten gefördert werden, die eine regionale, gemeinwohlorientierte Wirtschaft unterstützten.

Das Land habe außerdem eine große Verantwortung im Bereich des öffentlichen Auftragswesens. Dieses umfasse in Deutschland 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, sei also ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Hierdurch habe der Staat Einfluss auf die Entwicklung sozialer und ökologischer Standards. Dieser Verantwortung müsse das Land gerecht werden, indem es – auch in landeseigenen Betrieben oder Firmen mit Landesbeteiligung – ökologische und soziale Kriterien und die Einhaltung der Menschenrechte entlang der gesamten Lieferkette berücksichtige.

Hintergrundinformationen:

Für Rückfragen:

Sabine Yacoub, 0174-9971892

Michael Carl, 02620-8416

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