BUND Landesverband
Rheinland-Pfalz

Ein Umgang mit Fakten, der verstimmt

15. Dezember 2006 | Chemie, Ernährung, Landwirtschaft, Schmetterlinge, Gefährdete Tiere und Pflanzen

BASF-Appell für grüne Gentechnik

Wo bleibt Zukunftsperspektive für heimische Landwirtschaft, Entwicklungsländer und Schmetterlinge?

MAINZ. Die Ludwigshafener RHEINPFALZ hat jüngst im zeitlichen Umfeld einer von Berlin angestrebten erneuten Revision des erst am 22. März d. J. verab-schiedeten Gentechnikgesetzes ein großangelegtes Interview mit dem für die grüne Gentechnologie zuständigen BASF-Vorstandsmitglied Peter Oakley veröffentlicht. Der BUND sieht sich in der Pflicht, gestützt auf allgemein zugängliche Fakten, einige wesentliche Aussagen des Konzernmanagers zurückzuweisen.


Oakley möchte mit dem Suggestivargument der großen Zahl Wirkung erzielen. Doch die angeführten 90 Millionen Hektar für Gen-Anbau machen gerade mal sechs Pro-zent der weltweit landwirtschaftlich genutzten Fläche von ca. 1,5 Milliarden Hektar aus. Davon finden 75 Prozent des Anbaus in den USA und Argentinien statt; China trägt lediglich 3,7 Prozent bei.

Oakley stellt die USA als Gentechnik-Paradies dar. Dennoch: Obwohl es in den USA weder eine Kennzeichnungspflicht noch eine Koexistenzregelung und deswegen auch eine weit verbreitete Unkenntnis über Gentechnikrisiken gibt, die keinesfalls als Akzeptanz ausgelegt werden darf, zeigt sich auch dort, wenn auch zeitlich verzögert, immer mehr Widerstand gegen gentechnisch veränderte Organismen (GVO). So ist es 2004 in Mendocino County, Kalifornien, zu einer erfolgreichen Volksabstimmung gegen den Anbau von Gen-Pflanzen gekommen. Der Bundesstaat Vermont macht per Gesetz Gen-Firmen für Schäden haftbar; 110 Städte in den Neuenglandstaaten wollen Regelungen zur Anbaubeschränkung und Kennzeichnung. Umfragen ergeben, dass die Skepsis bei der Bevölkerung der USA ständig wächst; zwischen 2003 und heute ist sie von 27 auf 38 Prozent angewachsen. Es kommt bereits vor, dass Aktionäre von Gentech-Konzernen die Ausweisung möglicher finanzieller Risiken im Bereich der Agro-Gentechnik in den Finanzplänen verlangen.

Zu der Behauptung „Die Produkte sind sicher und bringen zusätzlichen Nutzen“, stellt der BUND folgendes fest:

  • Eine Begleitforschung über die Auswirkungen des Verzehrs genveränderter Pflanzen auf die menschliche Gesundheit existiert nirgendwo auf der Welt. Auch in der EU gibt es trotz verpflichtenden GVO-Monitorings kein Programm zur Er-fassung toxischer, subtoxischer, chronischer oder allergener Wirkungen von GVO.
  • Gen-Saatgut ist teuer. In den USA ist z. B. Roundup Ready-Soja um sage und schreibe 35 Prozent teurer. Zudem kommt das amerikanische Landwirtschafts-ministerium zu dem Ergebnis, dass Farmer mit Gen-Saaten keine höheren Er-träge erzielen. Durch eintretende Resistenzen ist auf die Dauer auch keine Ein-sparung bei Herbiziden feststellbar. Nachdem zunächst in den ersten drei Jahren sich der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verringert, schnellen dann in den Folgejahren Aufwandmengen und Kosten deutlich nach oben. Dass die Farmer dennoch zu solchem Saatgut greifen, liegt an der eingetretenen Monopolstellung der Gen-Saatgutkonzerne und an dem Umstand, dass Gentechnik die effizien-teste Methode zur Bewirtschaftung großflächiger Monokulturen ist.
  • Das bisher größte Freilandexperiment überhaupt, das die britische Regierung in den Jahren 2000 bis 2002 auf 192 Flächen hat durchführen lassen, ermittelte massive Auswirkungen auf die Vielfalt der Wildkräuter auf und neben dem Acker sowie auf die davon abhängende Insektenwelt; so zeigt z. B. Raps ei-nen Rückgang um 44 Prozent bei Blütenpflanzen und um 39 Prozent bei Samen. (Ausnahme: Lediglich bei Mais war im Vergleich kein Artenrückgang erkennbar, weil die Kontrollfläche mit dem in der EU seit Oktober 2003 verbotenen Herbizit Atrazin behandelt worden war). Die Behauptung, dass der Gentechnik eine Ver-mehrung der Schmetterlingspopulation zu verdanken sei, sollte Herr Oakley noch einmal gründlich durchdenken.

Dass Koexistenz von Landwirtschaft mit und ohne Gentechnik auf Dauer unmöglich ist, hat die verheerende Entwicklung in Kanada, den USA und Argentinien längst be-wiesen. Die Klage von ca. 1000 Biobauern in der kanadischen Provinz Saskatche-wan gegen Monsanto und Bayer spricht für sich.

In diesen Ländern ist ablesbar, was den kleinräumig arbeitenden europäischen Bau-ern blühen kann: Durch Patentierung, Verbot des Nachbaus und die Schnürung eines Gesamtpaketes „Saatgut, Dünger, Biozid“ entsteht eine umfassende Knebe-lung, die aus freien Mittelständlern Vertragsangestellte grenzenlos operierender Konzerne macht – oder diese gleich in Arbeitslosigkeit und Insolvenz treibt.

Für den Welthunger kann die grüne Gentechnologie überhaupt nichts leisten: Das Gen-Saatangebot ist ausschließlich auf eine Landwirtschaft zugeschnitten, die mit großflächigen Monokulturen arbeitet, und nicht auf regionale Bedürfnisse und kleinbäuerliche Strukturen in den Entwicklungsländern. Dort gibt es überhaupt nicht den erforderlichen hohen Mechanisierungsgrad und das entsprechende Anbau-management. Massenarbeitslosigkeit wäre die Folge in Ländern, in denen um die 60 Prozent der Menschen in der Landwirtschaft arbeiten und Ersatz durch industrielle Arbeitsplätze utopisch ist.

Zukunftsträchtiger ist, was aktuell 25.436 deutsche Landwirte in 94 Gentechnikfrei-en Regionen für 877000 Hektar beschlossen haben: flächendeckender, freiwilliger Verzicht auf Einsatz jeglichen industrieproduzierten Saatguts. Sie tun das im Gleich-schritt mit 174 Regionen, Counties, Woiwodschaften, Departements Regioni und 4.500 lokalen politischen Gebietskörperschaften in der Europäischen Union.

Entlarvend und irreführend ist schließlich der unsägliche Vergleich Oakleys von heutigem Roggen mit dem von vor 100 Jahren. Hierbei setzt er traditionelle Pflan-zenzüchtung offenbar gleich mit der von Gentechnologen betriebenen Übertragung isolierter Einzelgene von einer Art in die andere. Diese Aussage dürfte nicht den In-formationsstand eines ausgewiesenen Experten widerspiegeln.

Für Nachfragen:
Heike Moldenhauer: 030-275 86-40/456
oder
Sabine Yacoub: info@bund-rlp.de

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