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Rheinland-Pfalz

Aus für AKW in Deutschland – BUND mahnt neue Koalition zu vollständigem Atomausstieg

28. Dezember 2021 | Atomkraft, Energiewende

 (Wikimedia Commons)

Berlin, Mainz. Mit den Atomkraftwerken Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C gehen am Freitag drei der letzten sechs AKWs in Deutschland vom Netz. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßt das überfällige Ende der veralteten und gefährlichen AKW. Besonders das rheinland-pfälzische AKW Mülheim-Kärlich mit seinem erhöhten Erdbebenrisiko stand bereits seit Baubeginn auf Grund zahlreicher Sicherheitsrisiken in der Kritik. Der BUND appelliert an die neue Bundesregierung, nun auch den vollständigen Atomausstieg zügig umzusetzen. Atomausstieg und Klimaschutz sind kein Widerspruch.

Sabine Yacoub, Vorsitzende des BUND Landesverbands Rheinland-Pfalz: „Für Rheinland-Pfalz war das Aus der benachbarten AKW Biblis und zuletzt Philippsburg wichtige Etappensiege im deutschen Atomausstieg. Jahrzehnte haben wir zusammen mit unseren hessischen und baden-württembergischen Schwesterverbänden auf die unzureichenden und teilweise mangelhaften Sicherheitssysteme der AKWs hingewiesen und die Störfälle kritisiert. Dass es nun soweit ist und in Kürze bis auf drei alle AKW abgeschaltet sind, ist ein großer Erfolg für alle, die schon an den Bauplätzen in den 70ern demonstriert haben. Dabei ging es nie nur darum etwas zu verhindern, sondern auch für eine nachhaltige und gerechte Energieversorgung einzustehen. Die neue Bundesregierung muss jetzt die naturverträgliche Energiewende weiter vorantreiben und gleichzeitig alle noch laufenden Atomanlagen in Deutschland abschalten.“

Neben der Gefahr für Mensch und Umwelt, die von den AKWs oder der Urananreicherungsanlage in Gronau und der Brennelementefabrik in Lingen ausgeht, produzieren diese auch weiterhin Atommüll. Da der Bau eines Atommülllagers noch in weiter Ferne liegt, muss der Müll deutlich länger als genehmigt an den Zwischenlagerstandorten in ganz Deutschland stehen. Auch im benachbarten Philippsburg wird der strahlende Müll noch über Jahre in den Hallen stehen bleiben. Die Zwischenlager sind schon jetzt ein Sicherheitsrisiko. Es fehlt etwa an Reparatur- und Inspektionsmöglichkeiten und der Schutz gegen potenzielle Terroranschläge ist unzureichend. Der BUND bemängelt, dass die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag keine Antworten für einen dringend benötigten transparenten und partizipativen Zwischenlagerprozess findet.

Michael Carl, stellvertretender Landesvorsitzender: „Der Atommüll muss für eine Million Jahre sicher verwahrt werden. Da wird schnell klar: Atomenergie kann nicht gerecht oder umweltverträglich sein. Eigentlich müssten die letzten drei AKW, die am nächsten Jahresende abgeschaltet werden sollen, auch sofort stillgelegt werden, da keinerlei Entsorgungsweg für den strahlenden Müll absehbar ist. Atomkraft ist darüber hinaus nicht nur zu teuer, sondern auch zu langsam, um eine Lösung für die Klimakrise zu liefern. Die Bundesregierung muss sich auch auf internationaler Ebene dafür einsetzen, dass die gefährliche Atomkraft nicht mehr gefördert, sondern beendet wird. Besonders die geplante europäische Einstufung von fossilem Gas und Atomkraft als nachhaltige Investition stellt völlig falsche Weichen.“

Hintergrund:

Die AKWs Grohnde, Gundremmingen und Brokdorf waren schon vor Baubeginn in den 1970er Jahren auf Grund zahlreicher Sicherheitsrisiken Ausgangspunkt großer Proteste. Die unzureichenden und teilweise mangelhaften Sicherheitssysteme der Atomkraftwerke und die Störfälle waren auch während des Betriebs immer wieder Grund für Kritik. Besonders das AKW Gundremmingen als letzter Siedewasserreaktor weist grundlegende sicherheitstechnische Probleme auf. Durch die Ausstattung mit nur einem Kühlwasserkreislauf verlässt radioaktive Kühlflüssigkeit den Sicherheitsbehälter und schon kleinere Rohrbrüche könnten zur Freisetzung von radioaktivem Dampf führen. Auch für das AKW Grohnde sind zahlreiche Probleme bekannt. So kann der Stahl des Sicherheitsbehälters, der nur in diesem AKW eingesetzt wurde, Risse bilden, es fehlen Erdbebenwarnsysteme, die Notfallpläne waren mangelhaft und bei einer Revision 1985 entdeckte man, dass das Notkühlsystem völlig defekt war. Insgesamt wurden seit der Inbetriebnahme mehr als 250 meldepflichtige Ereignisse registriert. Nur der Reaktor in Brokdorf hat von den bisher noch laufenden AKWs mehr meldepflichtige Ereignisse. Beim AKW Brokdorf zeigte etwa ein Gutachten, dass die Sicherheitssysteme nicht ausreichten, um eine Kernschmelze mit massiver Freisetzung radioaktiver Stoffe zu verhindern.

Weitere Informationen zu den Gefahren der bestehenden und abgeschalteten Atomkraftwerke in Deutschland finden Sie hier: www.bund.net/themen/atomkraft/akw-in-deutschland/karte-der-akws

BUND-Bewertung der Atompolitik im Koalitionsvertrag der SPD, Grüne und FDP:

Im Koalitionsvertrag halten SPD, Bündnis 90/Die Grüne und FDP am Atomausstieg fest, vermeiden aber aus Sicht des BUND notwendige Aussagen zum sofortigen Aus etwa der Urananreicherungsanlage in Gronau und der Brennelementefabrik in Lingen. Zudem fehlt jegliches Bekenntnis eine Lösung für die zwei ungenehmigten Zwischenlager in Jülich und Brunsbüttel vorzulegen, geschweige denn einen dringend benötigten Prozess zur deutlich längeren Zwischenlagerung aufzusetzen. Auch der mit waffenfähigem Material bestückte Forschungsreaktor Garching wird mit keinem Wort erwähnt. Der BUND fordert die sofortige Umrüstung auf nicht atomwaffenfähiges, niedrig angereichertes Uran. Gleichzeitig will die Koalition aufs Tempo drücken, um den ungeeigneten Schacht Konrad zu vollenden. Auch die Atommülllagersuche soll zügig vorangetrieben werden, ohne dass ausbuchstabiert wird, wie die dringend benötigten Verbesserungen hinsichtlich Beteiligung, Transparenz und Wissenschaftlichkeit ausgestaltet werden sollen. Aus Sicht des BUND müssen hier schnellstmöglich wichtige Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Suche gelingen kann. Die Koalitionäre bleiben mit ihren dünnen Ausführungen zur Atompolitik hinter dem Koalitionsvertrag der letzten Regierung zurück. Besonders unverständlich ist, dass es entgegen vorheriger Ankündigungen kein Bekenntnis gibt die EU-Taxonomie mit fossilem Gas und Atom zu verhindern. Der delegierte Rechtsakt der Kommission hierzu soll in den kommenden Wochen verabschiedet werden und es wäre ein Skandal, wenn die EU beides als nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten definiert.

 

Kontakt BUND Rheinland-Pfalz:             

Michael Carl, 02620 8416

Sabine Yacoub, 0174-9971892

 

Kontakt BUND-Experte für Atompolitik

Jan Warode, BUND-Experte für Atompolitik, Tel.: 030-27586-568, E-Mail: jan.warode(at)bund.net 

                           

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