Die Landesregierung und insbesondere Ministerpräsident Kurt Beck muss Farbe bekennen in der Frage, ob Rheinland-Pfalz das unter Federführung von Stoiber und Müntefering im Rahmen der Föderalismusreform offenbar angestrebte Umweltdumping mitzutragen bereit ist. Die Beachtung dieses Teilaspektes des insgesamt recht erfreulichen Reformvorhabens hat hohe Dringlichkeit, weil die von Bundesrat und Bundestag im vergangenen Jahr eingesetzte „Kommission Modernisierung bundesstaatlicher Ordnung (KoMBO)“ noch in diesem Jahr ihre ziemlich weit gediehenen Ergebnisse vorlegen will.
Die Kommission strebt eine praktikablere, „schlankere“ Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern an durch Stärkung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, indem die Materie bisheriger Rahmengesetzgebung in die konkurrierende Bundesgesetzgebung übergeführt werden soll.
Diesen Kompetenzverlust - und hier liegt der Hund begraben - wollen sich einige Ministerpräsidenten (vorneweg Peer Steinbrück, Edmund Stoiber und Roland Koch) abkaufen lassen durch Zugestehen eines Zugriffsrechtes auf die konkurrierende Gesetzgebung, d. h. eines Rechtes, von Bundesgesetzen abweichen zu dürfen (vgl. dazu das Positionspapier der Ministerpräsidenten vom Juni 2004, wo es heißt: dass die Länder „eigene ganz oder teilweise von der Regelung des Bundes abweichende Gesetze beschließen können, die als Landesrecht auch dann in Kraft bleiben, wenn der Bund seinerseits novelliert“).
Dies aber würde den schon bisher spürbaren Deregulierungswettbewerb im Umweltrecht zwischen den Bundesländern erst richtig in Fahrt bringen - nach dem Motto: Wer bietet die meisten „Standortvorteile“?
Es ist höchste Zeit, diesen Nonsens zu stoppen, denn
- Der in Artikel 31 Grundgesetz enthaltene Grundsatz „Bundesrecht bricht Länderrecht“ wäre völlig auf den Kopf gestellt.
- Der bisherige Wirrwarr im Umwelt- und Naturschutzrecht würde mit seinen 20 Gesetzen und seiner unübersehbaren Vielzahl einander widersprechender und sich überschneidender Verordnungen - völlig kontraproduktiv für die Reform - in verstärktem Ausmaß durch die Hintertür wieder zurückkehren.
- Es würde noch komplizierter und zeitraubender, EU-Recht in nationales Recht umzusetzen. Schon jetzt droht Deutschland ein zweites Vertragsverletzungsverfahren vor dem europäischen Gerichtshof, was mit beträchtlichen Zwangsgeldern verbunden sein kann.
- Umweltschutz macht nicht an Ländergrenzen Halt. So ist z. B. eine reibungslose Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie letztlich nur mit der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes zu schaffen.
- Und vor allem: Das Zeitfenster, über eine umfassende Bundeskompetenz im Umweltrecht endlich zur Schaffung eines Umweltgesetzbuches zu kommen, wäre für unabsehbare Zeit fest geschlossen. Dabei ist es der einhellige Wunsch von Politik, Wirtschaft, Verbänden, Verwaltung und Wissenschaft, nun wirklich ein solches Vereinfachung, Klarheit und Übersicht schaffendes Regelwerk zu bekommen.
Ministerpräsident Beck muss als Kommissionsmitglied und unter Nutzung seines bundesweiten Ansehens laut und vernehmlich auf den Tisch der Reformkommission hauen, um dem allseitigen Wunsch nach einem Umweltgesetzbuch zum Durchbruch zu verhelfen.
Ulrich Mohr, BUND Rheinland-Pfalz Pressesprecher)