50 Jahre BUND Landesverband
Rheinland-Pfalz

Naturnahe Auen für den Hochwasserrückhalt am Rhein!

16. März 2012 | Flüsse & Gewässer, Naturschutz

BUND stellt deutsch-französische Studie zur Hochwasserminimierung durch eine Revitalisierung der Rheinauen vor

Das nächste „Extremhochwasser“ kommt bestimmt! – Hochwasserrückhalt am Rhein zwanzig Jahre im Verzug – BUND fordert Auenrevitalisierung statt geflutete Städte.

Mainz, 17. März 2012: Die Umweltverbände BUND und ALSACE NATURE (AN) fordern zur Reduzierung der Hochwassergefahr am Rhein die großflächige Reaktivierung von Auen. Die Umweltverbände legten hierzu am Freitag in Mainz eine gemeinsame Studie vor. In der Studie zur Minimierung der Hochwassergefahr von Basel bis zum Niederrhein mahnen die Verbände an, endlich die Gebote zum naturnahen Hochwasserrückhalt in der EG-Wasserrahmenrichtlinie sowie in der EG-Hochwasserrisiko­manage­mentrichtlinie umzusetzen. Noch in den 1990er Jahren hatten die Behörden weitgehende Pläne zum Hochwasserrückhalt in revitalisierten Auen erarbeiten lassen. Auf mehr als 10.000 Hektar Fläche in Südhessen und Rheinland-Pfalz wollte man das Rheinhochwasser gefahrlos in die Aue ausufern lassen. Die Politik hat die damaligen Pläne leichtfertig in den Schubladen verschwinden lassen. Die Folge: Der aktuelle Statusbericht der Internationalen Rheinschutz­kommission für den Hochwasserschutz am Rhein muss eingestehen, dass in den letzten sechs Jahren kein bedeutsamer Fortschritt bei der Minderung der Hochwassergefahr am Rhein zu registrieren ist. Dabei stehen die in den 90er Jahren für die Revitalisierung der Rheinauen vorgesehen Flächen auch heute noch zur Verfügung. 10.000 Hektar neu angelegte Auen wären nach Ansicht von BUND und Alsace Nature zudem ein wesentlicher Beitrag, um die Tendenz zum fortschreitenden Rückgang  der Artenvielfalt entlang des Rheins ins Positive zu drehen.

Der Hochwasserrückhalt am Rhein ist zwanzig Jahre im Verzug

Derzeit ist glücklicherweise kein Rheinhochwasser in Sicht. Aber wenn der knackigen Frostperiode in der ersten Februar-Hälfte 2012 intensive Niederschläge gefolgt wären, hätte der gefrorene Boden im gesamten Rheineinzugsgebiet kaum Wasser aufnehmen können. Ein großes Hochwasser hätte sich aufbauen können – und zwar mit katastrophalen Folgen: „Die bislang vorhandenen Hochwasserpolder am Oberrhein und die  Deiche unterhalb von Iffezheim bewältigen nur ein Hochwasser, das statistisch gesehen ein Mal in 140 Jahren vorkommt. Ausbauziel ist ein 220jährliches Hochwasser. Bei einem „Extremhochwasser“ - ähnlich wie in der Elbe im Sommer 2002 - würde es entlang des Rheins zu Deichbrüchen mit enormen Schäden kommen“, so die Voraussage von Dr. Heinz Schlapkohl, Sprecher des Arbeitskreises Wasser im BUND Rheinland-Pfalz.

Dass sich die Gefahr von katastrophalen Hochwasserabläufen am Rhein erheblich verschärft hat, liegt vor allem daran, dass während der letzten 200 Jahre über 90 Prozent der Auen entlang des Rheins beseitigt worden sind. „Vor der Rheinbegradigung und dem Staustufenbau am Oberrhein konnten sich die Hochwasserwellen kilometerweit breit machen. Heute bedroht der in enge Deiche gezwängte Rhein Karlsruhe, Mannheim/Ludwigshafen, Worms, Mainz sowie zahlreiche Kommunen am Mittel- und Niederrhein“, erläuterte Dr. Schlapkohl.

Damit der Rhein nicht unkontrollierbar die Städte und Dörfer entlang des Rheins flutet, müssen wieder natürliche Flutungsareale angelegt werden – ein Ziel, das auch die Internationale Rheinschutzkommission (IKSR) verfolgt, nach Auffassung der Verbände „leider nur mit geringem Erfolg“: In der Berichtsperiode für die letzten sechs Jahre konnten keine zusätzlichen Flächen für einen naturnahen Hochwasserrückhalt am Rhein mehr ausgewiesen werden. Nikolaus Geiler, der Autor der Studie: „Die mangelhafte Regenerierung von Auen ist auch deshalb fatal, weil bei den technischen Maßnahmen zum Hochwasserrückhalt - gesteuerte Polder und Deiche - ebenfalls ein großer Zeitverzug von zwanzig Jahren gegenüber den ursprünglichen Planungszielen zu registrieren ist.“

Die Rheinauen – ein einzigartiger Biotopkorridor von den Alpen bis zur Nordsee

Mit der Anlage naturnaher Flutungsflächen beabsichtigte die IKSR zudem die Entwicklung eines Biotopverbundes entlang des Rheins von Basel bis Rotterdam. Der Auen geprägte Biotopkorridor würde die Alpen und die Mittelgebirge bis hin zur Nordsee miteinander verbinden.

Der BUND und Alsace Nature fordern deshalb, dass den Sonntagsbekenntnissen der Politik und den gesetzlichen Vorgaben im Wasserhaushaltsgesetz, in den Landeswassergesetzen sowie in den Naturschutzgesetzen zum naturnahen Hochwasserrückhalt endlich Taten folgen müssen – zum Nutzen der hochwasserbedrohten Menschen ebenso wie zur Entwicklung der Artenvielfalt am Rhein. Nach den Worten von Dr. Schlapkohl, dem Koordinator der deutsch-französischen Studie drängt die Zeit: „Nicht nur der zeitliche Verzug beim Hochwasserrückhalt ist bedrohlich. Angesichts des Klimawandels lässt sich nicht ausschließen, dass sich ein »Monster-Hochwasser« auch im Rheineinzugsgebiet aufbauen kann.“

Der Binnengewässerkundler (Limnologe) Geiler kritisiert, dass weder im deutsch-französischen Hochwasserschutz noch in der Zusammenarbeit der deutschen Rheinanliegerländer der naturnahe Hochwasserrückhalt eine Rolle spielt. Wegen der mangelhaften Vorsorge von Behörden und Politik hatten sich die Verbände entschlossen, selbst eine groß angelegte Studie zu den Potenzialen für einen naturnahen Hochwasserrückhalt am elsässischen und am deutschen Rheinabschnitt in Auftrag zu geben. Angesichts der kaum erkennbaren Fortschritte beim Hochwasserrückhalt bringen die Umweltverbände auch unkonventionelle Vorschläge in die Diskussion – von einer »Auenprämie« bis hin zur Gründung von »Auengenossenschaften«, um einen Ausgleich zwischen Unter- und Oberliegen zu erreichen.

 

Die Studie kann in einer reich bebilderten Kurzfassung und in der Langfassung unter
www.bund-rlp.de/hochwasser  heruntergeladen werden. Die Kurzfassung kann außerdem beim BUND Rheinland-Pfalz, Hindenburgplatz 3, 55118 Mainz, Telefon: 06131 62706-0, Telefax: 06131 62706-66, E-Mail: info(at)bund-rlp.de, in einer gedruckten Fassung (A4, 20 S.) kostenlos angefordert werden.

 

Ansprechpartner:
Dr. Heinz Schlapkohl, Sprecher des Arbeitskreises Wasser im BUND Rheinland-Pfalz und Koordinator der Studie, Tel.:  06353-3318, E-Mail: heinz.schlapkohl(at)t-online.de

Sabine Yacoub, Geschäftsführerin des BUND Rheinland-Pfalz, Tel.: 06131 62706-0 bzw. 0174-9971892, E-Mail: sabine.yacoub(at)bund-rlp.de

Nikolaus Geiler, Dipl.-Biologe, Limnologe, Autor der Studie, Tel.: 0761/275 693 oder 0761/45687153, E-Mail: nik(at)akwasser.de 

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