BUND Landesverband
Rheinland-Pfalz

Spurensuche Gartenschläfer

Das große Artenschutzprojekt von BUND, Justus-Liebig-Universität Gießen und Senckenberg Gesellschaft geht in die nächste Phase. Ein Projekt zum Mitmachen: Gartenschläfer schützen!

Auf den Spuren einer bedrängten Art

Der Gartenschläfer ist wohl das am stärksten im Bestand zurückgegangene Nagetier in Europa

Ursprünglich reichten die Vorkommen des Gartenschläfers von der Atlantikküste Portugals und Frankreichs bis zum südlichen Ural in Russland sowie Finnland bis Südspanien und Sizilien. Heute muss davon ausgegangen werden, dass sich das Verbreitungsgebiet in den letzten 30 Jahren um mehr als 50 Prozent verkleinert hat. Mehr als 10 Prozent des weltweiten Verbreitungsgebietes des Gartenschläfers liegt in Deutschland. In Rheinland-Pfalz konzentriert sich seine Verbeitung auf die klimatisch milderen Täler von Rhein, Nahe, Alsenz und Mosel sowie das rheinhessische Tafel- und Hügelland südlich von Mainz. Aber auch in den Mittelgebirgen ist er zu finden.

Im Rahmen des Verbundprojekts „Spurensuche Gartenschläfer“ wurde erstmals die Verbreitung in Deutschland systematisch erfasst. Möglich wurde dies mit großer Unterstützung der Bevölkerung: Mehr als 6.000 Hinweise auf Gartenschläfer sind auf der Online-Meldestelle innerhalb von zwei Projektjahren eingegangen, darunter mehr als 4.000 belegte Meldungen mit Fotos, Videos oder Audionachweisen. Begleitet wurde die Spurensuche durch gezielte Untersuchungen mittels Wildtierkameras, Nistkästen und Spurentunneln.

Verbreitung

Die Ergebnisse zeigen einen Verbreitungsschwerpunkt im südwestlichen Deutschland, vor allem im urbanen Raum. Der Rückgang der Bestände in den Wald-Lebensräumen scheint dagegen weiterhin stark anzuhalten. Besonders in der Sächsischen Schweiz, im Grenzgebiet Bayern/Tschechien, sowie in Bayern, Thüringen und im östlichen Nordrhein-Westfalen sind keine oder nur wenige Nachweise gelungen. Gartenschläfer sind damit offenbar Kulturfolger, die sich den verfügbaren geeigneten Lebensräumen anpassen.

Über die Homepage des Gesamtprojektes www.gartenschlaefer.de kann jede*r seine Beobachtungen melden und damit zum Kenntnisstand über diese bedrohte Art beitragen. Damit helfen Sie mit, das Wissen über die Art zu mehren und so geeignete Schutzkonzepte zu ermöglichen.

Lebensräume

Der Gartenschläfer ist in vollkommen unterschiedlichen Lebensräumen heimisch. Gemeinsam haben sie jedoch, dass sie viele Versteckmöglichkeiten bereithalten und häufig durch Fels und Gestein gekennzeichnet sind.

Im Südwesten Deutschlands ist er vor allem als Kulturfolger im Siedlungsbereich, in Gärten, Weinbergen und auf Obstwiesen, aber auch in Laubwäldern in milden Lagen zu finden. Dort sind die Bestände stellenweise recht hoch. Allerdings ist, anders als zuvor vermutet, die Verbreitung in Baden-Württemberg nur gering. Damit ist die Verbreitung in Südwestdeutschland deutlich punktueller als erwartet.

In den Städten ist der Gartenschläfer vor allem auf Schrebergärten, breitere Heckenstrukturen, grüne Fassaden und alte Gebäude angewiesen, die ihm ausreichend Schutz und Nahrungsmöglichkeiten liefern. Der Gartenschläfer scheint sich erfolgreich an ein Leben im städtischen Raum in der derzeitigen Gestalt angepasst zu haben.

Angesichts der hohen Verbreitungszahlen der Gartenschläfer in einigen Städten Südwestdeutschlands ist zu vermuten, dass dieser urbane Lebensraum eine Art „Arche“ für diese Art darstellen könnte, die in ihren natürlichen Lebensräumen immer seltener vorkommt. Eine weitere Verdichtung und Versiegelung der Städte wird jedoch nicht ohne Folgen für den Gartenschläfer bleiben.

Gute Gartenschläfer-Lebensräume bieten …

  • Ausreichend viele sichere Verstecke
  • Verstecke und Nahrung auf kleinem Raum
  • Dichte Vegetation als Schutz und trotzdem Platz am Boden
  • Entweder kalte Winter (Hochlagen) oder warme und gleichzeitig nahrungsreiche Winter (Tieflagen)

Durch mehrere Telemetrie-Studien in unterschiedlichen Lebensräumen des Gartenschläfers konnten wir die jeweiligen Merkmale genauer untersuchen und wichtige Habitatstrukturen erfassen.

Anhand der zusammengetragenen Daten wird derzeit ein Habitatmodell für den Gartenschläfer in Deutschland erstellt. Berücksichtigt werden dabei z.B. Temperaturverläufe, Niederschlagsverteilung, Vegetation und weitere Faktoren.

Genetik

Insgesamt wurden in der „Spurensuche Gartenschläfer“ fast 1.400 Proben von Gartenschläfern genetisch ausgewertet. Darunter Haar- und Kotproben, aber auch Proben von Totfunden. Möglich war dies durch die große Unterstützung von Freiwilligen, die den größten Teil dieses Forschungsmaterials der Wissenschaft zugänglich gemacht haben.

Die Analysen der Proben ergaben eindeutige genetische Unterschiede zwischen den geografisch voneinander getrennten Populationen der Gartenschläfer in Deutschland. Die Unterschiede sind jedoch nicht so erheblich, dass man von verschiedenen Unterarten sprechen könnte.

Nicht erkennbar ist in den genetischen Analysen eine Form von genetischer Verarmung – dies war eine Vermutung zu Beginn des Projekts „Spurensuche Gartenschläfer“. Hier hätte ein Grund für das Verschwinden von einzelnen Populationen liegen können. Bestätigt hat sich dies jedoch nicht. In den Hochlagen der Mittelgebirge ist zwar eine geringere genetische Vielfalt bei den Tieren erkennbar. Dies scheint jedoch eher ein Symptom der Bestandsrückgänge zu sein als eine Ursache.

Was bedeutet das für den Schutz des Gartenschläfers?

Die genetische Vielfalt zu wahren, ist Teil des Schutzes der Biodiversität. Deshalb ist eine Zuordnung aufgefundener Tiere zu den verschiedenen genetischen Linien in Deutschland wertvoll. So können die Tiere in den richtigen Regionen wieder ausgesetzt werden.Zur Unterstützung der Auswilderung und Wiederansiedlung wurde zudem ein hoch-spezifisches genetisches Markersystem für die Unterscheidung der vielfältigen Gartenschläfer-Formen entwickelt. Eine bundesweite Gendatenbank für die Tierart Gartenschläfer in Deutschland soll die gezielte Naturschutzarbeit grundsätzlich dauerhaft unterstützen.

Nahrung

Nach der Auswertung von 1.000 Kotproben auf die Nahrungsbestandteile hin zeigte sich ein eindeutiges Bild: In fast allen Proben fanden sich sowohl pflanzliche als auch tierische Bestandteile. Darunter einerseits süße Früchte wie Brombeere, Himbeere und Blaubeere und andererseits Gliederfüßer wie Insekten, Tausendfüßer und Spinnen.

Die Bestandteile der Nahrung waren je nach Region sehr unterschiedlich, aber immer sehr vielfältig. Das zeigt, dass der Gartenschläfer in der Nahrung kein Spezialist, sondern eindeutig ein Generalist ist. Das heißt, er kann sich gut an vorhandene Nahrungsressourcen anpassen.

Ein fester Bestandteil seiner Nahrung sind aber Insekten, die in fast jeder Probe nachgewiesen wurden. Deshalb ist davon auszugehen, dass der starke Rückgang der Insekten Einfluss auf die Art hat.

Vogelfreund*innen können übrigens aufatmen: Feder- und Eierschalenreste wurden nur mit einer sehr geringen Häufigkeit (unter 2%) in den Proben nachgewiesen.

Was bedeutet das für den Schutz des Gartenschläfers?

Strukturvielfalt im Wald und auch in Städten und Gärten ist wichtig für den Gartenschläfer. Sie bieten ihm das notwendige Nahrungsspektrum. Dazu gehören fruchttragende Sträucher und Hecken, v.a. heimische Beerensträucher. Diese bieten nicht nur selbst Nahrung, sondern können den Lebensraum selbst erheblich aufwerten. Und eine höhere Strukturvielfalt bedeutet wiederum einen vielfältigeren Lebensraum für Insekten & Co.

Die Nahrungsanalysen wurden anhand von Kotproben vorgenommen, die bei der Kontrolle von Nistkästen gesammelt wurden, in denen Gartenschläfer leben. Diese Kontrollen wurden überwiegend von Freiwilligen übernommen, die das Projekt als Citizen Scientists mit großem Erfolg unterstützten.

Krankheiten und Todesursachen

Die bisherigen Analysen in der „Spurensuche Gartenschläfer“ zeigen keine Hinweise auf Infektionen durch Pilze, Bakterien oder Viren bei den untersuchten Totfunden. Auch Prädatoren, also natürliche Feinde, oder invasive Arten in der freien Wildbahn scheinen keine relevante Rolle auf Populationsebene zu spielen. Allerdings fallen in den Siedlungen viele Gartenschläfer den Hauskatzen zum Opfer.

Im Lebensraum Stadt ergaben die Untersuchungen einige Todesursachen von untergeordneter Bedeutung, die aber vermeidbar sind:

  • Das Ertrinken in Regentonnen
  • Das Sterben in Reb- und Obstnetzen oder ungesicherten Kellerschächten

Die Rolle von Pestiziden wird noch intensiv untersucht. Es ist aber davon auszugehen, dass etwa der Einsatz von Rattengift in Gärten und städtischen Räumen nicht ohne Folgen für die dort lebenden Gartenschläfer ist.

Viele Freiwillige unterstützten uns dabei, Totfunde einzusammeln und der Forschung damit zugänglich zu machen. Ohne sie wären diese Untersuchungen nicht möglich geworden.

Gartenschläfer gesehen oder gehört?

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Fachartikel

Die vielen Daten, Informationen und Erkenntnisse der „Spurensuche Gartenschläfer“ werden durch das Projektteam auch in wissenschaftlichen Fachveröffentlichungen publiziert.

Wir freuen uns, sie hier vorzustellen: www.gartenschlaefer.de/fachartikel

Post vom Gartenschläfer

September 2022

Neues von der Spurensuche! Was haben die Forscher*innen bisher herausgefunden?

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