Verwirrende Nachrichten zum Biosphärenstatus für den Pfälzerwald

22. November 2021 | Energiewende, Naturschutz, Mobilität, Wälder, Lebensräume

Verbände fordern genaue Lektüre des UNESCO-Schreibens an Spiegel. UNESCO wird ein unfairer Wettlauf aufgezwungen.

Pfälzerwald  (Walter Herzog)

Die Berichterstattung der letzten Wochen zum Thema Windräder im Pfälzerwald  erweckt den Eindruck, man müsse nur konsequent auf Windräder verzichten, um eine Aberkennung des prestigeträchtigen Prädikats  „Biosphärenreservat“ für alle Zeiten zu vermeiden. Dieser Eindruck ist falsch. Denn:  Zurechtgerückt wird diese Lesart bei genauer Analyse des Schreibens, das Michael Heugel, Chef des MAB-Nationalkomitees, mit Datum vom 7. September an die rheinland-pfälzische Umweltminister Anne Spiegel verschickt hat. Der Brief liegt nun seit einigen Tagen den Verbänden vor - wie auch ein englisch formuliertes Schreiben an das UNESCO-Sekretariat in Paris (vgl. Server des Landtags von RLP).

Zur unvoreingenommenen Befassung mit dem Schreiben an die Ministerin gehört nach Auffassung der Umweltschützer*innen die Wahrnehmung, dass der Präsident der Bonner Behörde, die über die Anerkennungskriterien für ein Biosphärenreservat zu wachen hat, sich in der vorsichtigen Sprache der Diplomatie  -  wie schon im Jahr 2013 bei der letzten „Periodischen Überprüfung“ -  „mit großer Sorge“  Gedanken macht über die fortschreitende „Fragmentierung des Pfälzerwaldes“. Hierbei erwähnt Heugel  unübersehbar zu allererst den „Ausbau der bestehenden Bundesstraße 10“. Erst danach kommt er auf den Ausbau der Windkraft zu sprechen. Dies ist die von Anfang an bekannte und somit bis heute unveränderte Rangfolge der „in Frage gestellten“ Projekte im Pfälzerwald  -  gemäß den „wesentlichen UNESCO-Anerkennungskriterien“.

Die Verbände destillieren zum Thema Aberkennung des Biosphärenstatus folgende Kernaussage aus dem Schreiben des MAB-Komitees an die rheinland-pfälzische Umweltministerin:

Die Aberkennung des Biosphären-Prädikats für den Pfälzerwald droht durch den autobahngleichen Ausbau der B 10; außerdem kann auch die Errichtung von Windrädern nicht hingenommen werden.

Exakt vor diesem Hintergrund eine Feststellung aus aktuellem Anlass: Erst Mitte nächsten Jahres möchte das MAB-Nationalkomitee mit einer abschließenden Stellungnahme in Form der nächsten zehnjährigen „Periodischen Überprüfung“ herauskommen. Bereits aber am Mittwoch, dem 24. November, will der Landesbetrieb Mobilität (LBM) mit einem Livestream zum Raumordnungsverfahren für B 10-Baumaßnahmen auf einem Streckenabschnitt  zwischen Wellbachtal und Queichhambach an die Öffentlichkeit gehen. Dabei steht der Abschnitt im Bundesverkehrswegeplan nur als „weiterer Bedarf“. Hierdurch wird dem MAB-Nationalkomitee ein bedenklicher Wettlauf mit der Zeit aufgezwungen  -  wie einst bei Hase und Igel; ein Wettlauf, der für den Hasen UNESCO böse enden kann. Denn das Fluten der Südpfalz mit transeuropäischen LKW-Massen soll – so die Absicht der Ausbaubefürworter*innen  -  planerisch möglichst unaufhaltsam vorangetrieben werde.

Dennoch: Die Berliner Politik wird nicht an einer verantwortungsbewussten Überprüfung der Biosphärentauglichkeit einer „Pfälzerwald-Autobahn“ vorbeikommen.

Zu viele unbestreitbare Fakten müssen dies nahe legen:

  • Ihre offensichtliche Zweckbestimmung als europäische Transitachse für täglich 10.000 schwere LKW; daher auch ihr Widerspruch zur Europäischen Union, die mit der Festlegung von TEN-Achsen klare Vorgaben für diese Art Verkehr gemacht hat.
  • Ihr Hauptnutznießer ist der internationale Schwerverkehr. Ihr Nutzen für die regionale Wirtschaft ist vergleichsweise gering. Der regionalen Wertschöpfung aus Tourismus und Weinbau fügt sie nicht unerheblichen Schaden zu.
  • Ihr fehlerhaftes und schön gerechnetes Nutzen-Kosten-Verhältnis.
  • Das Vorliegen eines durchdachten Kompromissvorschlags, erarbeitet im Zuge eines leider gescheiterten Mediationsverfahrens; er könnte wiederbelebt werden.
  • Das Fehlen von Planfeststellungsbeschlüssen für Streckenabschnitte, die  für die Herstellung von Transitdurchgängigkeit benötigt werden.
  • Die nicht wegzudiskutierende Bilanz der seit den 30-er Jahren vergeblichen Versuche, dem Pfälzerwald eine Autobahn aufzunötigen; die Gründe: zu teuer, zu schwieriges Gebirge, zu zerstörerisch für Natur und Landschaft.
  • Das Vorhandensein von Alternativen.
  • Ein Bundesverkehrswegeplan 2030, dem ein akribisches juristisches Gutachten Rechts- und Verfassungswidrigkeit attestiert.

 

Für Rückfragen:

Michael Carl, BUND Rheinland-Pfalz: 02620 8416

Ulrich Mohr, BUND Südpfalz, Tel. 06347 6630

 

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