Hintergründe - Artenvielfalt in der Landwirtschaft
Biotopvernetzung
Wildbienen benötigen zur Arterhaltung Pollen, Nektar, Nistmaterial und Lebensraum. Die Flugradien der unterschiedlichen Wildbienenarten variieren stark. Die Distanz zwischen Futterquelle und Nistplatz sollte 250 – 300 m nicht übersteigen (Burger, 2017, Gathmann und Tscharntke, 2002). Je näher das Futter an der Kinderstube liegt, umso höher ist die Reproduktionsrate. Für den genetischen Austausch und eine zügige Besiedelung hingegen sind Abstände zwischen vollwertigen Trittsteinbiotopen von ein bis zwei Kilometern für die meisten Arten überbrückbar (Burger, 2017). Wichtig ist also, dass sich in Agrarlandschaften möglichst alle ein bis zwei Kilometer ein vollwertiges Trittsteinbiotop befindet, weitere Trittsteine dazwischen haben einen positiven Effekt auf die Anzahl der Individuen, weil sie den genetischen Austausch und die Besiedlungsmöglichkeiten der Wildbienen verbessern. Eine solch engmaschige Biotopvernetzung, wie am Beispiel der Wildbienen aufgezeigt, hilft natürlich gleichermaßen vielen anderen Tier- und Pflanzenarten.
Saatgut
Ab 1. März 2020 ist es nach dem Bundesnaturschutzgesetz (Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege, 2009) verboten, Saatgut und Gehölze von außerhalb ihrer „Vorkommensgebiete“ auszubringen. Dieses Verbot schließt die Entwicklung naturnaher Flächen in der Agrarlandschaft ein. Bis zu diesem Zeitpunkt ist vorzugsweise nur gebietseigenes Saatgut auszubringen. Hintergrund dieser Regelung ist es, die genetische Vielfalt der regionalen Flora und Fauna zu erhalten und zu gewährleisten, dass sogenannte „Spezialisten“ unter den Insekten geeignete Nahrungspflanzen vorfinden. Dies hat für Wildbienen besondere Relevanz.
Zuchtarten können unter Umständen gebietsspezifische Arten verdrängen und damit sogar die Lebensräume und Nahrungspflanzen der Wildbienen gefährden. Der BUND verwendet in seinen Projekten für die Anlage von Blühflächen Heumulch von nahe gelegenen Spenderflächen oder – wo dies nicht möglich ist – zertifiziertes Regio-Saatgut. Bestrebungen von anderen Projekten und Zusammenschlüssen, die im Namen der Artenvielfalt bundesweit eine einheitliche Samenmischung für die Anlage von Bienenweiden entwickeln, konterkarieren unter Umständen sogar Bestrebungen zur Förderung der Artenvielfalt gemäß der Biodiversitätsstrategie. Die Anwendung des Heumulchverfahrens gewährleistet hingegen die genetische und regionalspezifische Vielfalt und zugleich eine Unabhängigkeit von Saatgutproduzenten.
Mut zur Schönheit
Eine Studie von Agroscope (Schweiz) zur ästhetischen Bewertung landwirtschaftlicher Kulturen durch die Bevölkerung ergab, dass die große Mehrheit der Bevölkerung artenreiche Landschaften schöner finden als artenarme (Schuepbach et al., 2009) - also solche Landschaften, die eine Fülle von Strukturelementen aufweisen. Vielfältige Landschaften bieten Schutz, Baumaterialien und ein ausgewogenes Nahrungsangebot und bieten damit gute Lebensbedingungen, auch für uns Menschen. Dies deckt sich mit den eingangs erwähnten Zielen der Biodiversitätsstrategien von Rheinland-Pfalz und des Bundes.
Schädlingsbekämpfung
Blühstreifen, Untersaaten und Retentionsflächen verbessern die Verfügbarkeit von Nahrung, Nistmaterial und Lebensraum für Wildbienen. Während Wespen die Brut von Schadinsekten unmittelbar zerstören können, werden indirekte Effekte auch bei (Wild)bienen vermutet: Das Vorkommen des Traubenwicklers wird durch die Präsenz einer vielfältigen Insektengemeinschaft stark zurückgedrängt. Man nimmt an, dass auch Bienen aufgrund der den Wespen vergleichbaren Flügelfrequenz die Entwicklung der Traubenwicklerlarve hemmt (Niggli und Nürnberger, 2009). Die Flügelfrequenz der Wespe erzeugt Stress bei den Larven.
Ertragsentwicklung
Auf Bestäubung angewiesen sind die meisten Obst- und Gemüsesorten sowie Beeren. Insgesamt sind etwa ein Drittel der am häufigsten angebauten Feldfrüchte von Bestäubung abhängig. Bei weiteren Feldfrüchten, beispielsweise denen, die auch durch Wind bestäubt werden, ergibt sich ein Ertragszuwachs durch Insektenbestäubung (Klein et al., 2007). Bei den zu bestäubenden Arten verbessern sich die Erträge signifikant mit der Häufigkeit der Blütenbesuche.
Weitere Effekte
Auch die Bodenqualität verbessert sich durch verbesserte Humusbildung unter extensiv genutzten Flächen. Damit erhöht sich die Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit für Pflanzen; Nitrat und andere Schadstoffe gelangen nicht so leicht ins Grundwasser. Die Bildung von Humus benötigt Kohlenstoff und macht den Boden zu einer Senke für Kohlenstoffdioxid aus der Luft. Das wirkt sich positiv auf das Klima aus.