MAINZ. Im Auftrag des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Landesverband Rheinland-Pfalz hat die Leipziger Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingelegt. Die Beschwerde richtet sich gegen Mängel in Rheinland-Pfalz bei der Unterschutzstellung von Vogelschutzgebieten gemäß der Europäischen Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/ EG). Die in einer Vorläuferversion bereits 1979 verabschiedete Richtlinie soll die Bestände der in der EU heimischen Wildvögel sichern und dauerhaft überlebensfähige Populationen erhalten bzw. wiederherstellen. Um dies zu erreichen sind die EU-Mitgliedsstaaten u. a. verpflichtet, geeignete Schutzgebiete auszuweisen und notwendige Schutzmaßnahmen umzusetzen.
Doch trotz der gemeldeten Vogelschutzgebiete ist die Lage der Vogelarten in Deutschland und Rheinland-Pfalz nach wie vor prekär. „Die Ausweisung von Vogelschutzgebieten konnte den dramatischen Rückgang vieler Vogelarten nicht verhindern“, stellt BUND-Landesvorsitzende Sabine Yacoub fest. „Wir gehen deshalb davon aus, dass es systematische Defizite bei der Ausweisung der Gebiete und ihrem tatsächlichenSchutz in Deutschland gibt. Mit unserer Beschwerde zeigen wir wichtige Mängel für Rheinland-Pfalz auf.“
Die in der Beschwerde aufgeführten Mängel wurden für die rheinland-pfälzische Naturschutzorganisation u. a. sichtbar bei Urteilsbegründungen des Oberverwaltungsgerichts (OVG) zu zurückgewiesenen Klagen etwa gegen den Flugplatz Speyer, den Hochmoselübergang oder aktuell gegen die zweite Rheinbrücke bei Wörth mit deren Straßenanbindung mitten durch ein Vogelschutzgebiet-Gebiet. Diese OVG-Entscheidungen liegen auf gleicher Linie mit Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in Leipzig.
In den Urteilsbegründungen segnen die Gerichte eine Praxis ab, die aus Sicht des BUND die Anforderungen der EU an den Vogelschutz nicht gerecht wird. Kern der Kritik ist, dass viele Vogelarten, für die die Schutzgebiete ausgewiesen wurden, bei der eigentlichen Unterschutzstellung durch das Landesnaturschutzgesetz (LNatschG) nicht mehr ausreichend berücksichtigt wurden. Die Unterschutzstellung der Vogelschutzgebiete erfolgt im Anhang 2 des LNatschG. Dort werden die im jeweiligen Gebiet zu schützenden Vogelarten genannt. Hierbei werden so genannte Hauptvorkommen hervorgehoben, die alleine maßgeblich für den Schutz der Gebiete sein sollen. Entsprechend wird bei geplanten Eingriffen auch nur die Auswirkung auf diese Vorkommen berücksichtigt und untersucht.
Die Beschränkung alleine auf die Hauptvorkommen hat zur Folge, dass von 164 in Rheinland-Pfalz nach Art. 4 Abs. 2 Vogelschutzrichtlinie in Schutzgebieten zu schützenden Vogelarten 66 Arten vollständig der Schutz entzogen wird. Die EU-Kommission muss davon ausgehen, dass in Rheinland-Pfalz beispielsweise Vogelarten wie die Rohrdommel in 8, der Silberreiher in 10 oder die Trauerseeschwalbe in 15 EU-Vogelschutzgebieten geschützt sind. In Wirklichkeit jedoch sind sie überhaupt nicht geschützt, da sie in keinem Schutzgebiet mit Hauptvorkommen benannt sind. So müsste der Grauspecht in 33 Gebieten unter Schutz stehen, als „Hauptvorkommen“ ist er hierzulande jedoch nur in 4 Gebieten geschützt.
Die EU-Kommission hat bei der Bewertung, ob Deutschland seinen Schutzpflichten nachkommt, die Vogelschutzgebiete mit allen gemeldeten Arten betrachtet. „Nach der Meldung der Schutzgebiete einen großen Teil der aufgeführten Vogelarten aus dem tatsächlichen Schutz wieder herauszunehmen ist aus unserer Sicht eine klare Täuschung der EU-Kommission“, meint Yacoub. „Mit unserer Beschwerde informieren wir die Kommission über die tatsächliche Praxis. Ich bin zuversichtlich, dass die Kommission reagieren wird und einen Schutz aller genannten Arten einfordern wird.“
Für Rückfragen:
Sabine Yacoub, 06131-62706-0 oder 0174-9971892
Karin Marsiske, 0727152645